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Strategien Holz zersetzender Pilze – Teil I
Als wollten sie ein Loch im Weltganzen stopfen, fern ab jeglichen Trubels, gehen die xylobionten Arten in den weiten unserer Wälder lautlos, fast unbemerkt ihrer Aufgabe nach, organisches Material in anorganische Ausgangsstoffe zu zersetzen, um so den Kreislauf der Nahrungskette mit ihrem Kapital Totholz zu schließen. Durch diese Aktivität sind sie ganz erheblich am Bodenbildungsprozess beteiligt. (Xylobiont = grich. Xylos = Holz; bios = Leben). Hieraus ergibt sich „ Holz bewohnend“, „Holzbewohner“, „ in Holz lebend“. Damit stopfen sie tatsächlich ein Loch im Weltgeschehen, denn sie sind in der Lage, ökologische Prozesse aufrecht zu erhalten, denen wir letztlich unser Leben verdanken. Nur lignicole Pilze haben entsprechende Enzyme, um die langkettigen Kohlenstoffmoleküle aufzuspalten, um sie verdaulich zu machen. Selbst der Holzwurm, der unermüdlich eine alte Kommode durchbohrt, was nicht gerade zur Freude des Besitzers geschieht, kann das Holzmehl nur verdauen, da in seinem Verdauungstrakt entsprechende Pilzemyzelien vorhanden sind, die die Zellulose und das Lignin aufspalten, um dem Holzwurm entsprechende Nährstoffe zu liefern.
Nicht jede Pilzart gedeiht an allen Holzsorten. Dennoch können sich an einem Holzstamm mehrere Pilzarten einfinden, die sich gemeinsam ans Werk machen um den Stamm kontinuierlich und unermüdlich in seine Bestandteile zu zerlegen. Damit sich die Pilzarten nicht gegenseitig ins „Gehege“ kommen, sind sie in der Lage, ihr Terrain durch eine Art Demarkationslinien innerhalb des Stammes abzugrenzen. Für die Besiedlung und Lebensweise des Pilzes spielen innerhalb des Holzes einige physikalische Faktoren eine wesentliche Rolle. Da ist zu nennen die Temperatur, der Feuchtigkeitsgehalt und nicht zuletzt auch die Festigkeit des Holzes. Letzteres ist auch ganz entscheidend für die erste Besiedlung von Pilzen, die das Holz bewohnen möchten. Hier wird unterschieden zwischen einer Initialphase, einer Optimalphase und einer Finalphase. So findet man über längere Zeit immer die gleichen Pilze an einem Stamm oder je nach Zerfallsgrad, eine ganz unterschiedliche Pilzzönose.
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Rotrandiger Baumschwamm (Fomitopsis pinicola) besiedelt Fichtenstamm
Demarkationslinien
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Buckelige Tramete (Trametes gibbosa) an einem Buchenstamm
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Da Holz nicht gleich Holz ist, kann sich eine Lebensgemeinschaft verschiedener Pilzarten an einem am Boden liegenden Baum einfinden. So wie das Holz verschiedener Baumarten gänzlich verschieden ist, so verschieden ist es auch innerhalb eines einzelnen Baumes. Die Hauptbestandteile des Holzes – Zellulose, Hemizellulose und Lignin – sind im Nadelholz, Laubholz, Kernholz, Splintholz, Kambium, Rinde, Äste, Reisig, Wurzeln, Früh– und Spätholz in unterschiedlichen Konzentrationen vorhanden. Hieraus resultiert, dass die unterschiedlichen Bestandteile auch unterschiedlich attraktiv für Holz zersetzende Pilze sind und so kann jeder Genotyp von lignicolen Pilzen durch unterschiedliche enzymatische Eigenschaften und Fähigkeiten seinen Appetit befriedigen und letztlich zur Fitness, Walddynamik und Aufrechterhaltung eines Ökosystems beitragen. Es mag sein, dass es ohne Holz zersetzende Pilze vielleicht noch das Kreuz Christi gäbe, oder das Trojanische Pferd, oder das Schiff von Columbus. Aber ohne sie hätte sich das Leben auf der Erde sicher nicht dahin entwickelt, wo wir heute stehen.
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